"Geigen spielen Bach-Partituren in Boliviens Urwald" - Die Büdingerin Dr. Ute Glock unterstützt mit einer Reihe engagierter Bürger ein Krankenhaus sowie ein bemerkenswertes Musikprogramm in Ascension

Kreis Anzeiger vom 02.08.2006

Eine bemerkenswerte Tatsache, die auch die Büdinger Kinderärztin Dr. Ute Glock begeistert hatte, als sie das Dorf vor einigen Jahren erstmals besuchte. Nach ihrer Pensionierung suchte die umtriebige und engagierte Ärztin eine neue Aufgabe für ihren "Unruhestand" und unterstützt seit mehreren Jahren ein Krankenhaus in Ascension im Tiefland Boliviens (der Kreis-Anzeiger berichtete). In einigen engagierten Büdinger Bürgern fand sie Mitstreiter, die mit ihr das Krankenhaus und das Dorf unterstützen. Ihr Ziel ist es, noch einigen Kinder mehr das Spielen der Geige zu ermöglichen. So entstand aus einer Herzensangelegenheit heraus das Projekt: "Büdinger Geigen spielen Bach in Boliviens Urwald".

Engagiert bei dieser Aktion sind auch Dr. Marita Untch, Dieter Egner, Dr. Elke Müller-Baumgart, Karin Fabricius, Musikdirektor Jaroslav Bílik, Yvonne Braeunlich, Christian Knaf und weitere hilfsbereite Menschen. Finanziert werden die Geigen aus Spenden und insbesondere mit dem Erlös eines Bücherflohmarkt im Rahmen des Altstadtfestes. Bei dem Flohmarkt, bei dem etliche Büdinger ihre Bücherschätze für diesen guten Zweck zur Verfügung stellten und sie für einen Euro verkauften, kamen 600 Euro zusammen. Eine Summe, mit der man zehn Geigen anschaffen konnte, was zudem zehn gelehrige und glückliche Kinder in Urubichá mehr bedeutet. Gleichzeitig heißt es allerdings auch Arbeit für mehr Menschen, denn die Geigen werden auch dort in der Nähe hergestellt. Und zwar aus bestem Zedernholz für 60 Dollar das Stück. Dass den kleinen Violinisten jetzt wieder zehn neue Geigen zur Verfügung stehen, dafür sorgten die engagierten Büdinger, die am Flohmarktstand Bücher verkauften und die zahlreichen Käufer, von denen das Gros gerne noch einen Euro oder zwei dazu legten für den guten Zweck.

"Wir danken allen Menschen, die uns bei diesem Projekt unterstützen, zum einen denjenigen, die ihre wirklich guten Bücher zur Verfügung stellten als auch denen, die sie kauften", betonten Dr. Marita Untch und Dieter Egner. Überwiesen haben Glock, Untch und Egner das Geld an Pater Pius Waldenmaier vom Franziskaner Missions-Verein Bayern in Groß-Heubach, und dieser wiederum leitet es weiter an Pater Neuwirth, der die Franziskaner-Mission vor Ort in Urubichá leitet. Er kommt tagtäglich mit den Menschen zusammen und kämpft mit den Missständen dort. Denn in dem Bauerndorf ist die Hauptsorge die nach dem täglichen Brot. Und dennoch üben Kinder und Jugendliche dort Bach-Partituren und Vivaldi. Das kommt daher, dass vor etwa 300 Jahren Jesuiten dort den Menschen die Liebe zur Musik Bachs näher brachten und so üben etwa 400 Guarayo-Indios heute noch in den Hütten ihre Partituren ein. Die Nachfolger der Jesuiten im bolivianischen Urwald, die Franziskaner, blieben bis heute bei dieser musikalischen Tradition, so dass es Dr. Ute Glock nicht wenig erstaunte, als sie von diesem Krankenhaus in Ascension nach Urubichá kam und dort europäische Klassikklänge vernahm. Es hat sie vollkommen begeistert, dass es ausgerechnet in diesem kleinen Dorf in Amazonien Mädchen und Jungen gibt, für die es etwas sehr Wertvolles und gleichzeitig das Selbstverständlichste in ihrem Leben ist, europäische Klassik und Barockmusik zu spielen. Sie war tief beeindruckt von den Kindern und Jugendlichen in dem Dorf, in dem es nur ein Auto und nicht immer Strom gibt. Die Familien leben vom Ertrag der Gemüsefelder, die manchmal bis zu 20 Kilometer entfernt im Busch liegen. Geld verdienen oft nur die Frauen mit Webarbeiten für einen lausigen Lohn. Geld für Geigen, selbst wenn sie dort bereits für 60 Dollar hergestellt werden können, fehlt. Um diesen Kindern weiter zu ermöglichen, unter der Obhut der Franziskaner Violine spielen zu lernen, setzt sich Glock in Büdingen ein und suchte und fand Mitstreiter, die sich für die jungen Musiker engagieren. So laufen im bolivianischen Urwald nun bereits zwei Projekte: Unterstützung für das Krankenhaus in Ascension und für die jungen Violinisten. Und jede weitere Spende ist willkommen. Glock fährt von Zeit zu Zeit nach Bolivien, um zu schauen, wie das Geld verwendet wird und telefoniert regelmäßig mit ihren dortigen Partnern.

Marwin Hehl